Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden – Herausgeber: Stiftung Warentest
Die Stiftung Warentest ist der Herausgeber des Handbuchs “Die andere Medizin – Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden”. Natürlich wollten wir vom Steinheilkunde e.V. wissen, ob die Erfolge der Edelsteintherapie sich bis zur Stiftung herumgesprochen hatten und welches Testurteil sie dann bekommen hatte.
Mit einem Schuss Neugier und etwas gemischten Gefühlen nahm ich das hell und freundlich aufgemachte Buch in die Hand. Und siehe da: im Inhaltsverzeichnis finde ich das Unterkapitel Edelsteinmedizin. Das Vorwort liest sich schon mal gut. Da ist u.a. die Rede von : Das Handbuch “Die Andere Medizin” ist eine Zusammenfassung aller Erkenntnisse, die nach heutiger Sicht über Naturheilmethoden und Alternativverfahren möglich sind, und damit eine Antwort auf die drängenden Fragen derjenigen, die sich dieser Medizin anvertrauen wollen. Entsprechend dem Auftrag der Stiftung Warentest legt das Handbuch “Die Andere Medizin” an alle alternativen Therapien denselben Maßstab (Welcher hier gemeint ist, war leider nirgends im Text zu finden). Es stützt sich auf den derzeit geltenden Stand des medizinischen Wissens. (S. 7)
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Methodik. Hier wird die Unterteilung des Buches erklärt, denn alle Naturheilverfahren werden in drei Gruppen eingeteilt, nämlich in klassische Naturheilverfahren, alternative Medizinsysteme und unkonventionelle Heilmethoden. Die Edelsteinmedizin wurde den unkonventionellen Heilmethoden zugeordnet. Als “unkonventionell” werden solche Heilmethoden eingestuft, die wissenschaftlich (noch) nicht oder nicht mehr anerkannt sind. Dass immer wieder über Heilerfolge mit diesem Verfahren berichtet wird, reicht nicht aus, um sie generell zu akzeptieren: Als wirkungsvoll gilt eine Methode dann, wenn ihre Wirksamkeit eindeutig nachgewiesen ist. (…) Für die Einstufung “unkonventionell” kommt auch zum Tragen, inwieweit in sich schlüssig begründet werden kann, warum das Verfahren so wie angegeben arbeitet, auf welchen Gedanken die Auswahl und Herstellung seiner Mittel beruht und ob es mit unbestreitbaren Naturgesetzen oder allgemein akzeptierten medizinischen Erfahrungen in Konflikt kommt. (S. 14 ff)
So sicher wie das Amen in der Kirche gibt es dann natürlich die gefürchtet Einteilung von Stiftung Warentest in empfehlenswert, nicht empfehlenswert und abzulehnen. Dreimal darf man raten welches “Prädikat” die Steinheilkunde bekommen hat. Und? Natürlich: Abzulehnen! Abzulehnen sind Verfahren, die keinen oder nur geringen Nutzen bringen und deren Risiko nicht abschätzbar ist sowie solche, die mit hohen Risiken verbunden sind. Zu guter Letzt wird der Rat suchende Leser noch über die Bewertungskriterien aufgeklärt: Bewertet wurden die Heilmethoden nach dem derzeit geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Standard, der den therapeutischen Nutzen einer Heilmethode definiert. Demnach genügen anekdotische Erfolgsberichte nicht als Beweis der Wirksamkeit. …. Als Quellen des Buches dienten die Veröffentlichungen der Anbieter, die zugängliche Literatur und – soweit vorhanden – die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Angeboten. zusätzlich waren Eigenrecherchen notwendig. Ein Team von Beratern und Beraterinnen, das ein breit gefächertes Spektrum von Fachrichtungen abdeckt, war bei der Suche und Auswahl der seriösen Fachliteratur und bei der Bewertung und Formulierung der Aussagen behilflich. (S.15)
Unbeirrt schlug ich die Seite 222 auf:
Unkonventionelle Therapiemethoden, Edelsteinmedizin.
Eingeteilt ist dieses Kapitel, wie alle anderen übrigens auch, in – Geschichte, – Die Idee dahinter, – Das Mittel, – Untersuchung und Behandlung, – Erklärung der Wirkung, – Anwendungsbereiche, – Risiken, – Kritik und Empfehlung. Der Abschnitt Geschichte lässt einen schon leicht säuerlich lächeln. Bei “Die Situation heute” werden nur die Hildegard von Bingen Vertreter, viele Geschäfte der esoterischen Szene, sowie der vielfältige Bedarf an Edelsteinen in der Technik, aufgrund ihrer elektromagnetischen Eigenschaften in Radios, Uhren und für Laser erwähnt. (S. 222). Die Absätze: – Die Idee dahinter, – Das Mittel, – Untersuchung und Behandlung, – Erklärung der Wirkung, – Anwendungsbereiche kann man lesen oder nicht. Um es kurz zu machen, der Grundton ist pseudoinformativ und sehr überheblich. Interessant wird es dann wieder ab Risiken: Edelsteine am Körper zu tragen ist an sich harmlos. Problematisch ist jedoch, dass dadurch notwendige wirksame Behandlungen versäumt werden können. (S. 223)
Unter Kritik erfahren wird nun endlich, warum die Edelsteinmedizin abzulehnen ist:
Die verschiedene Konzepte der Edelsteintherapie beruhen auf religiösen Vorstellungen, vorwissenschaftlichen Ideen und Aberglauben. Sie widersprechen dem heutigen Wissensstand. Anwender vermitteln dieses Gedankengut auf unzulässige Weise mit physikalischen Begriffen.
Weder für die Meßmethode, mit der der Gesundheitszustand eines Menschen ermittelt werden soll, noch für die dabei zugrunde gelegte “Norm”, noch für die Veränderungen gibt es wissenschaftlich nachvollziehbare Definitionen.
Es gibt keinen wissenschaftlich akzeptierten Nachweis der Wirksamkeit.
Werden pulverisierte und veraschte Edelsteine oder Mineralien eingenommen, birgt das unter Umständen das Risiko einer Vergiftung.
(S. 223)
Kurz, ein niederschmetterndes Urteil und zudem warf die Lektüre des Kapitels leider mehr Fragen auf, als es Transparenz schaffen würde. So schrieb ich die Stiftung Warentest an und forderte sie auf, dem Steinheilkunde e.V. folgende Fragen zu beantworten:
Auf welche Literatur beziehen sich Ihre Aussagen in diesem Kapitel?
Gab es außer Literatur noch andere Recherchen?
Welche namhaften Therapeuten, die diese Behandlungen anbieten, haben Sie interviewt?
Welche verschiedene steinheilkundlichen Behandlungsmethoden haben Sie getestet, und durch wen ausführen lassen?
In welchen Zeiträumen wurde getestet, an welchen Personen (Anzahl, Alter, Geschlecht), und wer führte diese Studien durch?
Nach welchen Kriterien wurde diese Studie dann ausgewertet, und von wem?
Ferner konnte ich es mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wir gerne bereit sind bei einer Neuauflage des Buches mit kompetenter Beratung behilflich zu sein. Die Antwort vom 11.11.99 (Das ist doch der Beginn der Narrenzeit?) war mehr als peinlich
Sehr geehrte Frau Zeuner-Mayer,
vielen Dank für Ihren Brief zur Steinheilkunde und Ihre Fragen zu Quelle und Methodik für dieses Kapitel. Wir haben im Abschnitt “Methodik” des Handbuches sehr ausführlich dargestellt, auf welcher Grundlage unsere Bewertungen für alle dargestellten Heilverfahren beruhen. Dem Kapitel Edelsteinmedizin liegen darüber hinaus in der Anlage beigefügten Quellen zugrunde.
Im übrigen sind wir selbstverständlich an jeder weiteren wissenschaftlichen Studie interessiert, die die Kriterien doppelblind und randomisiert erfüllt. Sollten Sie uns derartige Untersuchungen nennen können, werden wir sie gerne prüfen und bei einer Neuauflage berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Lektorat Sonderpublikationen
Anlage:
Für den Text zur Edelsteinmedizin verwendete Literatur:
Zentrum zur Dokumentation für Naturheilverfahren: Dokumentation der besonderen Therapierichtungen und natürlichen Heilweisen in Europa 1991
Hertzka, Strehliw: Die Edelsteinmedizin der heiligen Hildegard
Robert J. Blom: Sanft heilen,1994
Zusendungen von “Gundula’s Schleiferstüble”
Bezugsquelle für Steine zur Edelsteinmedizin à la Hildegard.
Irmgard Müller: Mittelalterliche Drogenkunde: Quelle moderner Phytotherapie? Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung. Band 5, 1986
Barrett, Stephen, Jarvis, William T.: The Health Robbers, New York.
Persönliche Mitteilungen bzw. Bewertungen von Prof. Dr. Irmgard Oepen, Marburg und Dr. Barbara Burkard, München
Ich muss ehrlich zugeben, ich konnte es nach dem ersten Durchlesen einfach nicht fassen. Ich las die Antwort ein zweites Mal, holte dann mein Anschreiben nochmals hervor, und las den Brief samt Anlage ein drittes Mal. Aber mein erster Eindruck wurde nur bestätigt: Schlampige Recherche, unzureichende Literaturauswahl und -bearbeitung, und Missachtung der eigens gesetzten Maßstäbe (…) Das Handbuch “Die Andere Medizin” ist eine Zusammenfassung aller Erkenntnisse, die nach heutiger Sicht über Naturheilmethoden und Alternativverfahren möglich sind (…) !!
Was stand doch gleich vorne auf dem Buchumschlag? Handbuch. Na klar, ein Buch zum in die Hand nehmen, um es in der Papiertonne zu versenken, oder?! Schade nur um die Bäume, die ihr Holz für das Papier hergeben mussten.
Michelle Zeuner-Mayer
(die Buchbesprechung stellt eine persönliche Meinung des Autors / der Autorin dar und muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken)